2.2 Vorgeschichte

"Ich war schon immer sehr gefesselt von und interessiert an Comedy Shows", erklärt sich John Cleese bei George Perry(22): Besonders die amerikanischen Shows hätten es ihm angetan, wie z.B. die Komiker Amos ‘n’ Andy, Burns and Allen, sowie Bilko. Später beeindruckten ihn die Marx Brothers, Tony Hancock und besonders die Goon Show(23), von der er sogar besessen gewesen sei.

Die Aufführungen von zwei oder drei erfolgreichen satirischen Sketchen (Cleese spielte u.a. Hitler(24)) am Clifton College veranlaßten Freunde, ihm die Bewerbung bei den Cambridge Footlights nahezulegen. Gleich im ersten Semester stellte er sich vor und mußte wieder verschämt von dannen ziehen, weil er nicht tanzen und singen, sondern ‘nur’ anbieten konnte, die Leute zum Lachen zu bringen.

Erste Versuche, für David Frost(25) zu schreiben, scheiterten ebenfalls, dafür wurde er aber zwei Semester später bei den Footlights aufgenommen und traf dort auf Graham Chapman mit dem er u.a. bei den Footlight-Revuen "Double Take" (1962) und "A Clump of Plinths" (1963) zusammenarbeitete: Beim Cambridge Circus(26), wie die Show des Footlight Dramatic Clubs jetzt hieß(27), wandelte sich das Programm: Das Singen und Tanzen wurde mehr und mehr von Satiren und Parodien in Sketchform abgelöst. Diese Wandlung hin zu einer verbalisierteren Darstellung vollzog sich im Rahmen des Satire-booms, der Großbrittannien erfaßt hatte und in deren Zentrum die Oxbridge-Comedy-Scene und die daraus hervorgegangenen Theatertruppe "Beyond the Fringe" standen.(28)

Die Show war dann so erfolgreich, daß Cleese und andere Aufträge von der BBC erhielten, Sketche zu schreiben oder ‘aufzupolieren’ und die Cambridge Circus zu einer Tour nach Neuseeland und New York aufbrechen konnte. Dort begegnete Cleese Terry Gilliam, der ihn zu einer satirischen ‘Photo-Love-Story’(29) animierte, in der ein biederer Ehemann sich in eine Barbiepuppe verliebt. Dieser Charakter des oberflächlich steifen, aber bei genauerem Hinsehen Abgründe offenbarenden englischen Spießers, war Cleese auf den Leib geschrieben.(30)

Zurück in England wurde Cleese dann eingeladen, am Frost Report(31) mitzuwirken, für den neben Chapmann Eric Idle und auch die Oxforder Michael Palin und Terry Jones arbeiteten (s.u.).

Chapman fand bei aller Schauspielerei und zunehmenden Schreibaufträgen noch Zeit als Arzt der Allgemeinmedizin zu promovieren, ein Umstand, der ihn zur Parodie dieses Berufstandes bestens ‘qualifizierte’, sodaß er die ‘Doktorrolle’ sowohl bei den Footlights als auch beim Frost Report entwickelte und weiter ausbaute. Ähnliches gilt auch für die Rolle des Polizisten bzw. des Militäroffiziers, denn Chapman’s Vater beendete seine Karriere als Chief Inspector und war für Chapman immer der Inbegriff von Autorität gewesen, einem Motiv, das später bei MP ausführliche Verwendung finden sollte.

Die nun folgende steile Fernsehkarriere von Cleese und Chapman, auf deren Weg die Fernsehserien At Last the 1948 Show und Marty - beide mit Marty Feldman - lagen, mündete vorerst in der ersten eigenen TV-Show, nämlich Doctor in the House, und etablierte zugleich die Zusammenarbeit des Autorenduos.

Cleese trat mit Frost auch in der Radioshow I’m Sorry I’ll Read that again auf, die bis 1973 lief und war zudem in zwei Spielfilmen zu sehen: Interlude von 1967, auf dessen Bedeutungslosigkeit und die kurzen Auftritte Cleeses am Ende der 33. Folge von MP angespielt wird (vgl. Tab. 5) und Magic Christian von und mit Peter Sellers, der ebenfalls floppte und in dem Cleese und Chapman nicht nur kleinere Rollen spielen, sondern auch Material beisteuerten. Der "The Mouse-Problem"-Sketch aus Folge 2 war ursprünglich für diesen Film geschrieben worden, nach Pittler aber wieder entfernt worden, weil er Sellers Milchmann nicht gefallen haben soll (s. Abschn. 3.1.3.1).(32)

Auch The Rise and Rise of Michael Rimmer von Kevin Billington, an dem Cleese und Chapman entscheidend mitwirkten, war kein Erfolg beschieden Das Erscheinen des Spielfilms wurde bis 1970 verzögert, sodaß die schon laufenden MP Folgen die Komödie zu Schnee von Gestern degradierten.

Eric Idle war erst zu den Footlights gestoßen als Cleese und Chapman sich schon einen Namen gemacht hatten; nach dem Ausscheiden der beiden konnte die Truppe, trotz der wohl bereichernden Mitwirkung Idles, 1965 auch als Präsident, nicht mehr an die Cambridge Circus-Erfolge anknüpfen. Dafür bekam er 1968 die Chance, sich in der Kindersendung Do not Adjust your Set zusammen mit Michael Palin, Terry Jones und auch Terry Gilliam als Autor und Schauspieler zu profilieren. Ein MP-Sketch, in dem Idle aus nicht jugendfreien Kinderbüchern vorliest ("Children’s Stories" 3), erinnert daran.

Die zukünftigen Mitglieder des Flying Circus hatten also schon vorher unter den verschiedensten Konstellationen, aber in verwandten Genres zusammengearbeitet. 1968 z.B. trat Idle in Frank Muirs Show We Have Ways of Making You Laugh mit der Darbietung seiner selbst geschriebenen Sketche auf und Terry Gilliam ergänzte zum ersten Mal eine Sketch Show durch seinen Animationen, mit denen er soeben zu experimentieren begonnen hatte (s. Abschn. 4.3).

Palin und Jones hatten sich bei der Oxford Revue, dem anderen Zweig der ‘Oxbridge Comedy Scene’ kennengelernt. Beide studierten Geschichte und schlossen wie Chapman Medizin, Cleese Jura und Idle Anglistik, ihr Studium ab. Auch bei den zwei Historikern schlug sich das Studium schon früh thematisch nieder: Palin und Jones machten Anfang 1969 The Complete and Utter History of Britain, eine satirische Aufarbeitung der offiziell heroisch verbrämten Geschichte des Vereinigten Königreiches und Idle bestach schon früh durch die ausgefeilte Sprache, den Wortwitz und die Distinguiertheit seiner Texte.

Palin und Jones hatten sich bis zu dieser Zeit ebenfalls als Autoren-Duo zusammengefunden und als Cleese Palin auf ein gemeinsames Projekt ansprach(33), war Jones mit von der Partie.

Die sich nun langsam formierende Gruppe bestand nun also aus zwei Autoren-Teams. Der BBC-‘script-editor’ Barry Took förderte letztendlich die Zusammenführung mit Ian MacNaughton(34), dem Regisseur von Spike Milligans Fernsehshow Q5, die alle bewunderten. Eric Idle, der drängte wiederum, Gilliam, den zweiten ‘Außenseiter’, aufzunehmen. Dieser war Amerikaner und arbeitete so gern alleine wie Idle und somit schloß sich der Kreis zu Cleese.

Terry Gilliam wollte ursprünglich für das amerikanische Satire Magazin Mad unter dem beliebten Cartoonisten Al Jaffé arbeiten, konnte sich aber ‘nur’ für das verwandte Help Magazin erfolgreich bewerben. Er arbeitete bald als Kinderbuchillustrator, bald bei einer Werbeagentur und beendete sein Politikstudium bis er 1967 nach England ging, um für die Sunday Times und andere Zeitungen Illustrationen zu zeichnen, um dann über seine New Yorker Bekanntschaft Cleese einen Job bei Do not Adjust Your Set zu bekommen und schließlich mit seine Animationen in We Have Ways of Making You Laugh zu debütieren (s. Abschn. 4.3).
 


Don't forget the dirty knife...
Die Besetzung des "Restaurant" oder "Dirty Fork"-Sketches v.l.n.r.:
Manager Eric Idle, Man Graham Chapman, Head Waiter Michael Palin, Cook John Cleese und Waiter Terry Jones mit Terry Gilliam.

 
 
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